Strukturierte Befundung gilt für Manchen als Qualitätsstandard in der Radiologie: vollständiger, klarer, besser auswertbar. Trotzdem dominiert in der Praxis noch immer das schnelle Freitextdiktat – schlicht, weil es effizient ist. Doch nun scheint sich das Blatt zu wenden: Große Sprachmodelle (Large Language Models, LLMs) eröffnen neue Wege, die das Beste aus beiden Welten vereinen könnten.
In der jüngsten Diskussionsrunde der AG Informationstechnologie der Deutschen Röntgengesellschaft (@GIT) wurde deutlich, dass das Thema an Fahrt aufnimmt. Die bekannten Hindernisse – technische Komplexität, fehlende Standards und begrenzte Ressourcen – bestehen zwar weiterhin, doch KI-Technologien geben Anlass zu Optimismus. Ein Teilnehmer brachte es auf den Punkt: LLMs könnten der „technische Durchbruch“ sein, der das Freitextdiktat automatisch in einen strukturierten Befund verwandelt.
Wie das in der Praxis aussehen kann, zeigten Beiträge aus der Forschung und dem klinischen Alltag. Ein Projektteam aus Freiburg präsentierte eine Plattform, die mit Hilfe von LLMs den gesamten Befundprozess automatisiert: vom Abruf relevanter Patientendaten über die strukturierte Anamnese bis zur KI-gestützten Befundvorlage. Radiologinnen und Radiologen können weiter frei diktieren – das System übernimmt die Strukturierung im Hintergrund. „Man soll gar nicht merken, dass man strukturiert befundet“, hieß es dazu augenzwinkernd.
Besonders spannend: Die Plattform arbeitet auf Basis des internationalen FHIR-Standards, wodurch Befunde nicht nur lesbar, sondern auch maschinenverarbeitbar werden. Erste Tests zeigten, dass strukturierte, mittels LLM verarbeitete Texte vollständiger und weniger fehleranfällig sind als Freitextberichte.
Auch aus der Praxis kamen ermutigende Beispiele. In mehreren Kliniken werden bereits Textvorlagen mit Spracherkennung kombiniert oder HTML-basierte Formularlösungen eingesetzt. Diese Methoden erleichtern den Einstieg in strukturierte Arbeitsweisen – auch wenn sie teils noch an „Technik der Neunziger“ erinnern, wie es ein Teilnehmender schmunzelnd formulierte.
Ein zentrales Diskussionsthema war – wenig überraschend – der Datenschutz. Während einige forderten, LLMs künftig lokal in den Kliniken zu betreiben, verwiesen andere auf die hohen technischen Hürden. Eine datenschutzkonforme Cloud-Infrastruktur, wie sie derzeit in Deutschland entsteht, könnte hier einen praktikablen Mittelweg bieten.
Am Ende war man sich einig: Strukturierte Befundung ist keine Zukunftsmusik mehr, sondern steht kurz vor der Alltagstauglichkeit. Offene Standards wie FHIR, neue Werkzeuge zur Vorlagenerstellung und die Leistungsfähigkeit von LLMs bringen Bewegung in ein Feld, das lange stagniert hat.
Vielleicht, so der Tenor der Runde, wird man in einigen Jahren zurückblicken und sagen: Es war die KI, die der Radiologie das Lesen neu beigebracht hat – diesmal strukturiert.